Frankreich und Deutschland haben heute – 56 Jahre nach dem Elysée-Vertrag – in Aachen einen erneuerten Freundschaftsvertrag geschlossen. Die deutsch-französische Zusammenarbeit ist der Kern der europäischen Einigung nach dem Zweiten Weltkrieg und wichtiger Motor der Integration – so denn die Zusammenarbeit funktioniert.

Der heutige „Vertrag von Aachen“ hat jedoch in erster Linie symbolische Bedeutung. Denn in den großen Fragen des Fortschreitens der Integration sind sich Macron und Merkel derzeit nicht einig, obwohl die Bedrohung der EU von außen und innen selten größer war. Merkel und die CDU bremsen seit Jahren die engere Zusammenarbeit in der EU aus, die für ein soziales und krisenfestes Europa nötig wäre.

Die SPD ist längst weiter und weiß, wie das soziale Europa geht. Frankreichs Präsident Macron hatte den Kern seiner wirtschaftspolitischen Vorschläge – Eurozonenbudget, Mindestlohnkorridore, harmonisierte Körperschaftssteuer usw. – bereits 2015 als Wirtschaftsminister mit seinem damaligen Amtskollegen Sigmar Gabriel vereinbart. Die bisherigen Fortschritte gehen auf SPD-Initiative zurück. Noch fehlt der Durchbruch für die ganze EU.

Trotzdem enthält der jetzige Vertrag einige bedeutende bilaterale Projekte. Darunter ist die Abschaltung des überalterten französischen Atomkraftwerks Fessenheim an der deutsch-französischen Grenze sicher ein wichtiges, aber auch kurzfristiges Vorhaben. Hoffen wir, dass diese (auch schon von Macrons Vorgänger Hollande geplante) Maßnahme endlich umgesetzt wird. Auch bei der grenzüberschreitenden Bahninfrastruktur, der Regulierung von Finanzdienstleistungen und in der gemeinsamen Energiepolitik wollen unsere beiden Länder enger zusammenarbeiten.

Ich finde es wichtig, dass der „Vertrag von Aachen“ die Förderung der deutsch-französischen Freundschaft in der jungen Generation weiter voranbringen will (Anerkennung von Schulabschlüssen, deutsch-französische Studiengänge, gemeinsame Kindertagesstätten). Die junge Generation ist die Zukunft für ein friedliches Europa, die Nachbarn kennenzulernen legt den Grundstein dafür. Das gilt auch hier in Sachsen für die Nachbarn in Tschechien und Polen.

Symbolisch kommt der Vertrag zum richtigen Zeitpunkt, denn er zeigt, dass Zusammenarbeit mehr bringt als Exit-Strategien. Doch statt dieses bilateralen, in erster Linie symbolischen Vertrags, wäre das gemeinsame Anstoßen eines gesamteuropäischen Reformprozesses wichtiger gewesen. Denn ein Motor ohne Wagen ist nicht viel wert. Frankreich und Deutschland müssen nicht nur sich, sondern die gesamte Europäische Union bewegen.