Gewalt in Europa ist nach wie vor Alltag. Täglich werden Frauen durch Partner, Ex-Partner oder Unbekannte geschlagen, bedroht und getötet. Mehr als jede zweite Frau über 15 Jahren in der EU wurde Opfer von sexueller Belästigung, hinzu kommen viele weitere geschlechtsspezifische Straftaten. Leider ist es oftmals der fehlende politische Wille, der die Täter schützt und eine effektive Strafverfolgung verhindert. In einigen Mitgliedstaaten ist bei diesem Problem seit Jahren keinerlei Fortschritt erkennbar.
Auf europäischer Ebene ist durch die Kommission endlich ein Vorschlag für eine Richtlinie gegen geschlechtsspezifische Gewalt vorgelegt worden. Das ist ein wichtiger Schritt, bleibt jedoch hinter der Forderung der sozialdemokratischen Fraktion zurück. Wir fordern, dass die EU die umfassenderen Instrumente des “Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“, der sog. “Istanbul-Konvention” von 2011 übernimmt und diese zur Grundlage des Kampfs gegen Gewalt an Frauen macht. Ein Beitritt der EU als Ganzes zur Istanbul-Konvention hätte eine große symbolische Strahlkraft und würde konkret die gleichen Standards in allen Mitgliedstaaten im Bereich Opferschutz, Prävention und Strafverfolgung bedeuten. Und schließlich würde der Beitritt alle Mitgliedstaaten zur rechtlichen Gleichstellung der Geschlechter in ihren jeweiligen Verfassungen und Rechtssystemen verpflichten. Dass sich hiergegen einige Mitgliedstaaten sträuben, kann man sich denken. Die Istanbul-Konvention ist zum Ausgangspunkt einer Kampagne gegen die LGBTIQ Community geworden und wird von der politischen Rechten und Konservativen zu einem Instrument für “Minderheitenrechte” reduziert.
Im Jahr 2021 ist der Europäische Gerichtshof in einem Gutachten zu dem Schluss gekommen, dass die EU der Istanbul-Konvention mit einer qualifizierten Mehrheit – und nicht wie zuvor behauptet nur über eine einstimmige Entscheidung – beitreten kann. Der Weg ist also frei, der politische Wille fehlt aber noch.